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Mythos: Jets fallen vom Himmel ohne Motor

Mythos: Jets fallen vom Himmel ohne Motor

Und wieder einmal ein Myth-Busters Artikel vom LSV Grenzland e.V. Heute knacken wir einen alten Mythos: Jets fallen vom Himmel ohne Motor. Klaus, einer unserer 25 Fluglehrer und Airbus-Pilot erklärt uns, warum ein tonnenschwerer Jet auch ohne Motorantrieb nicht einfach vom Himmel fällt, was einen Airbus und ein Grunau-Baby verbindet und wieso Segelflieger Wasser tanken.

Gleitwinkel

Ja, auch Verkehrsflugzeuge haben einen ganz ordentlichen Gleitwinkel bei Ausfall aller Triebwerke. Sie sind dann auch ein Segelflieger.
Nun ja, selbst bei einem sehr guten Verkehrsflugzeug (Airbus) liegt der Gleitwinkel lediglich im Bereich eines Grunau Babys (Gleitwinkel 17).
Der A320 (Gleitwinkel 15) etwas schlechter, der A330 (Gleitwinkel 18) sogar etwas besser.


Haben eines Gemeinsam: die etwas – ähm – begrenzte Gleitzahl

Etwas Theorie für’s Mythos-Knacken

Als Beispiel einmal ein Foto des PFD (Primary Flight Display) des A321, das ich bei meinem letzten Fluges fotografiert habe.

Mythos: Jets fallen vom Himmel ohne Motor

Seht Ihr den grünen Kreis auf der linken Seite im Speed Tape Geschwindigkeitsanzeige? Diese Geschwindigkeit ist die sogenannte „Green Dot Speed“. Wenn wir mit dieser Geschwindigkeit fliegen, befinden wir uns auf der Lilienthal Polare (Ca über Cw Graphen) an einem Punkt, der durch eine Tangente gebildet wird, welche an die Kurve aus dem Ursprung des Koordinatensystem angelegt wird.

Wir erinnern uns an die Formel für den Auftrieb: Auftrieb = Ca * Dichte/2 * v hoch 2 *Flügelfläche

Wie Ihr sicherlich noch aus dem Aerodynamik-Unterricht wisst, entspricht der Auftriebsbeiwert Ca aus der Tangente an der Polare dem Wert für das beste Gleitens eines Luftfahrzeuges. Hier fliegen wir bei Windstille somit die grösste Strecke über Grund, entweder bei einem Triebwerksausfall bei einem Jet (alle Triebwerke) oder einem Segelflugzeug (immer alle Triebwerke ausgefallen :-)).

Kommen wir zurück auf das Grunau Baby (hatte die Ehre ein solches anteilmässig mal zu besitzen in meiner Jugend, seufz, 25 Jahre her…): Es hatte das beste Gleiten bei 60 km/h. Der Airbus A321 mit 78 Tonnen (siehe Bild) zeigt das beste Gleiten allerdings bei einer CAS von 249 kt. Dies entspricht in der Höhe von 36000ft einer Ground Speed (ohne Wind) von 480 kt (also ca. 890 km/h). Nicht schlecht oder? Umgerechnet können wir aus der Höhe gut über 80 NM (ca. 145km) abgleiten.

Das Gewicht macht den Unterschied

Die Geschwindigkeit die ich fliegen muss, hängt natürlich stark vom Gewicht ab, also der Flächenbelastung. Man sich das so erklären: Unter mal Vernachlässigung der Kompressibilität der Luft (bei Mach<0.3 und somit bei einem Segelflugzeug immer gegeben), bleibt die Lilienthal’sche Polare tatsächlich unabhängig von der Fluggeschwindigkeit immer gleich. Wenn man dies bedenkt, dann muss für ein gegebenes LFZ der Ca Wert des besten Gleitens (und damit der Anstellwinkel) in der Tangente somit IMMER der Gleiche sein!

Wenn also nun das Flugzeuggewicht steigt (bsp. Wasser in den Tragflächen beim Segelflugzeug, viel Kerosin beim Airbus), brauche ich natürlich mehr Auftrieb. (Im Flug muss Auftrieb immer gleich Gewicht sein). Da ich ja den Anstellwinkel (und somit Auftriebsbeiwert Ca) nicht ändern darf, um weiterhin das beste Gleiten zu haben, muss ich logischerweise die Fluggeschwindigkeit erhöhen (siehe Formel oben)

Der beste Gleitwinkel eines LFZ ist also fest, lediglich die Geschwindigkeit mit der ich fliegen muss, um ihn zu haben, ändert sich!

Wasser in die Segler

Daher packen ja die Segelflieger bei guter Thermik und somit guten Steigwerten Wasser in die Tragflächen. Sie ändern damit nach obigen Ausführungen nicht den Gleitwinkel des Flugzeuges, sondern haben den gleichen besten Gleitwinkel aber nun lediglich bei höheren Geschwindigkeiten.

Mythos: Jets fallen vom Himmel ohne Motor
Wieder daheim – Wasser ablassen

Und können somit bei gutem Wetter schneller zwischen den Wolken fliegen und in der verfügbaren Thermikzeit mehr Strecke zurücklegen.
Aber Vorsicht: Natürlich erhöht sich auch das geringste Sinken mit zunehmender Flächenbelastung und somit werde ich in der Thermik etwas schlechter Steigen. Daher lohnt sich Wasser hauptsächlich da, wo wir gute Steigwerte haben. In der schwachen Abendthermik ist es besser das Wasser abzulassen, um auch noch schwache Thermik nutzen zu können und damit nach Hause zu kommen.