Know-How

Tagesablauf beim Segelfliegen

Gleich zu Beginn: die Sache mit dem Du. Segelflieger duzen sich – auf allen Segelflugplätzen ist das so. Wundert Euch also nicht wenn Ihr an Euerm ersten Tag von allen geduzt wird. Das ist keine Respektlosigkeit – das ist bei uns einfach so.

Der LSV Grenzland lebt vom Einsatz aller Mitglieder: Alle Fluglehrer unterrichten ehrenamtlich, Windenfahrer und Startleiter übernehmen ihre Dienste ebenso ehrenamtlich und der Schlepp-Pilot stellt seine Leistungen unentgeltlich zur Verfügung. Reparaturen an den Flugzeugen werden weitgehend in Eigenregie organisiert und durchgeführt. Entsprechend günstig sind die Konditionen, zu denen Ihr fliegen könnt.

Das Ganze funktioniert natürlich nur durch den Einsatz aller. Während der Flugsaison ermöglicht das den reibungslosen Ablauf des Flugbetriebs und im Winter steht dann die Arbeit in der Werkstatt auf dem Programm. Konkret für Euch heißt das: Beteiligt Euch beim Seilholen, beim Rücktransport der gelandeten Flugzeuge, bei der Starthilfe, beim Flugzeuge waschen, beim Ein- und Ausräumen der Flugzeuge zu Beginn und Ende des Flugbetriebs und bei allem, was sonst noch so anfällt. Haltet die Augen offen und erkundigt Euch im Zweifelsfall auch ruhig einmal bei den älteren Mitgliedern, wenn Ihr konkrete Fragen habt – bis auf ganz wenige hier beißen wir nicht.
Lehrer und Schüler

Keine Panik: Mit Eurer Konfusion seid Ihr nicht allein, denn so ging es allen zu Beginn ihrer Segelflugkarriere. Das gibt sich mit zunehmender Zeit und Erfahrung, und außerdem gibt es ja neben dieser Seite auch genügend Leute im Verein, die fragen kann. Die allermeisten geben dann auch gerne Antworten. Einige Unklarheiten können wir hoffentlich schon durch diese Seite ausräumen – aber auch sonst gilt: Dumm sind nur diejenigen Fragen, die nicht gestellt werden!

Tagesablauf beim Segelfliegen

Gerade für Anfänger können die vielen neuen Eindrücke zu Beginn ziemlich verwirrend sein. Wild gestikulierende Menschen versuchen, einen beim ersten Besuch auf dem Flugplatz am Überqueren dieser schönen breiten Asphaltstraße zu hindern. Mitglieder, die schon länger dabei sind, sprechen in Rätseln und in einem unverständlichen Kauderwelsch – warum, um alles in der Welt sprechen die das Schleppflugzeug mit „Uniform Oskar“ an?  Wieso gibt es beim Kantinenseil kein Essen?

Wir wollen versuchen, Euch hier auf diesen Seiten die wesentlichen Elemente eines Segelflugtages und seiner Eigenarten näher zu bringen. Vielleicht hilft das ja, die eine oder andere Unklarheit zu beseitigen.

Los geht’s

Der Flugbetrieb beginnt mit dem Ausräumen. An Samstagen ist das spätestens um 14:00 der Fall und an Sonntagen um 10:00. Bei richtig gutem Wetter fängt der Flugbetrieb Samstags meist auch früher an. Eine wichtige Regel besagt, dass Eure Hand das Hallentor wenigstens einmal am Tage berührt haben sollte. Das bedeutet, wer fliegen möchte, sollte mindestens beim Ein- oder beim Ausräumen dabei sein. Bei den meisten ist es so, dass die Hände das Hallentor 2x berühren.

Wenn man die offene Halle mit den Flugzeugen darin so vor sich sieht, fragt man sich unwillkürlich, ob man all die Flugzeuge jemals unbeschädigt aus der Halle bekommt. Man kann – aber es erfordert Leute, die das schon ein-, zweimal gemacht haben. An Euerm ersten Tag ist es am Besten, Ihr orientiert Euch an einem erfahrenen Mitglied und lasst Euch einweisen. Segelflugzeuge am Boden sind eher sperrige Dinger. Beim Bewegen am Boden stehen Menschen in allen Blickrichtungen um so ein Flugzeug herum – deswegen kommt man mit Begriffen wie links und rechts und vorwärts und rückwärts häufig nicht sehr weit. Deswegen schiebt man Flugzeuge schnauzwärts (in Flugrichtung nach vorn) oder schwanzwärts. Man kann sie auch flächenwärts schieben – dann muß man dazu sagen ob rein (in die Halle) oder raus.

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Ihr werdet auch sehen, dass die meisten unserer Flugzeuge in der Halle auf so komischen gelben Dingern stehen. Das sind Kullerchen. Diese geniale Erfindung erlaubt uns, das Flugzeug in quasi alle Richtungen gleich gut zu manövrieren. Nur deswegen können wir so viele Flugzeuge ineinander verschachteln. Es gibt eine zweite Art Kullerchen, die am Schwanzende des Flugzeuges angebracht werden kann. Das sind Spornkuller. Die bleiben für den weiteren Transport am Flugzeug, während die Kullerchen (manchmal heißen sie auch Hallenkuller) in der Halle bleiben.

Während die meisten Mitglieder beim Ausräumen der Flugzeuge beschäftigt sind, haben einige wenige weitere Gerätschaften herbeigeholt: die Winde (mit der wir die Flugzeuge an den Himmel ziehen), den Startwagen (in dem draußen am Start das ganze Geraffel verstaut wird, was man so am Start dabei haben muß), die beiden Trecker (einer zum Seile holen und einer, um gelandete Flugzeug an den Start zurück zuziehen). Diese Trecker heißen auch Lepo. Warum? Nun, lest das Wort rückwärts – früher waren diese Fahrzeuge häufig von dem Hersteller.

Die Fallschirme müssen noch geholt und in den Startwagen verstaut werden und jedes Flugzeug braucht auch noch eine Batterie. Jetzt ist auch der beste Moment, die Haupträder der Flugzeuge auf richtigen Luftdruck zu prüfen – wenn man erst draußen am Start merkt, dass der Luftdruck nicht stimmt, ist das mit viel Fahrerei verbunden.

Jetzt geht’s aber wirklich los

Der ganze Flugzeugpark muß jetzt an den Start. Nur, wo ist der genau? Jede Startbahn kann man entweder in die eine, oder die andere Richtung benutzen. Der Wind bestimmt, wie herum wir Starten und Landen, denn idealerweise machen wir beides immer gegen den Wind. Am Turm hängt eine Zahl, die uns sagt, welche Richtung in Betrieb ist. Alle Landebahnen – auch die auf den ganz großen Flughäfen – bezeichnet man mit der Himmelsrichtung, in die sie weisen. Dabei lässt man die Zehnerstellen der Gradzahl weg. Eine Landebahn, die genau nach Westen (270 Grad) zeigt, heißt mithin 27. Die Gegenrichtung (180 Grad weniger) entsprechend 09. Bei uns sind die Bahnrichtungen 25 bzw. 07 – gesprochen ist das dann „zwo-fünf“ oder „null-sieben“. Der Start ist immer auf der Leeseite des Platzes. Die Winde steht immer am gegenüberliegenden Ende der Startbahn.

Vermutlich unsichtbar für den Neuling haben sich zu diesem Zeitpunkt zwei Fliegerkameraden auf dem Turm als „Startleiter“ eingetragen. Die müssen einen Luftfahrerschein haben und sollen für einen reibungslosen Ablauf des Segelflugbetriebes sorgen. Darüber hinaus sind sie der primäre Ansprechpartner des Luftaufsichtsmanns im Turm in allen sicherheitsrelevanten Fragen.

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Die Trecker – und wenn wir viele Flugzeuge benutzen wollen auch der eine oder andere PKW – ziehen die Flotte jetzt an den Start. Wenn sich alle Flieger (das sind die, die in den Flugzeugen sitzen) und alle Flugzeuge am Start eingefunden haben, muß der Start aufgebaut werden. Konkret heißt dies: Aufbau des Tisches für den Startschreiber – alle Starts und Landungen müssen penibel genau aufgeschrieben werden. Das Lande-T wird ausgelegt – es zeigt dem landenden Segelflugverkehr, ab wo auf der Landebahn aufgesetzt werden soll. Man landet immer auf den Querbalken des T zu und setzt immer rechts dahinter auf.

Dann müssen die Flugzeuge gecheckt werden. An Euren ersten Flugtagen sucht Ihr Euch am Besten einen erfahrenen Kameraden, der Euch in das Check-Ritual einführt. Zwei Segelflieger überprüfen dabei alle Grundfunktionen des Flugzeuges – dabei geht einer rund um die Maschine herum, während der andere im Cockpit die Steuerelemente bedient. Dabei wird die korrekte Funktionsweise aller Ruder geprüft. Die Kameraden schauen, ob das Flugzeug unbeschädigt ist.

Mindestens einer der beiden Segelflieger, die den Check machen, muß den Luftfahrerschein haben. Dieser Kamerad muß nach erfolgreicher Überprüfung in der Klarliste unterschreiben, dass das Flugzeug in einem technisch einwandfreien Zustand ist.

Nebenbei hat der diensthabende Fluglehrer mit den Flugschülern die Flugreihenfolge für den Tag geklärt. In der Regel gilt das Prinzip, wer zuerst kommt fliegt zuerst. Parallel zu allen diesen Aktivitäten hat einer mit dem Trecker, die Seile geholt. So nennen wir den Vorgang des Seilabspulens von der Winde in Richtung Start. Der Windenfahrer hat die Winde gecheckt und lässt sie jetzt warmlaufen.

Der erste Start

Der erste Start steht jetzt an, nachdem wir gut eine Stunde gewerkelt haben. Im Schulbetrieb steigen jetzt Schüler (vorn) und Lehrer in unseren Schulungsdoppelsitzer, die ASK 21.  Eines der Windenseile wird zum Flugzeug geholt und die richtige Sollbruchstelle wird eingehängt.

Sollbruchstellen stellen sicher, dass bei versehentlicher Überlastung im Windenschlepp nicht das Seil oder das Flugzeug beschädigt werden, sondern die Sollbruchstelle soll brechen. Das sind unterschiedliche dünne farbige Bleche, die je nach Flugzeugtyp ins Seil eingehängt werden. Ein erfahrener Kamerad wird Dir zeigen, wie man das macht. Das Seil wird, jetzt in die Kupplung am Flugzeug eingeklinkt.

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„Aus“, ruft der Helfer, „Aus“, antwortet der Pilot und öffnet die Kupplung. „Ein“, ruft der Helfer, wenn er den Ring in die Kupplung eingeführt hat. „Ein“ bestätigt der Pilot und schließt die Kupplung. Vor dem ersten Start eines Flugzeuges am Tage, machen wir noch einen Test, ob die Kupplung wirklich öffnet.

Im Flugzeug hat der Flugschüler oder Pilot mittlerweile seinen Startcheck gemacht. Ist alles in Ordnung geht der Daumen hoch. Jetzt müssen alle noch vor dem Flugzeug herumstehenden Kameraden verschwinden. Nur der Starthelfer nimmt jetzt den Flügel hoch – wir sagen auch häufig „die Fläche“ zu einem Flügel. Der Startleiter hat sichergestellt, dass ein Start keinen anfliegenden Verkehr behindern würde und dass der Startraum verkehrsfrei ist. Per Telefon wird dem Windenfahrer jetzt durchgegeben welches Flugzeug und welches Seil für den Start ansteht.

Ähnlich, wie beim Ausräumen sind rechts und links ungeeignete Bezeichnungen für die Seile. Der Windenfahrer schaut ja in Richtung des Starts und für ihn ist alles seitenverkehrt. Deswegen haben die Seile Namen – auf allen Flugplätzen. Bei uns heißt das Seil, dass der Flugplatzkneipe zugewandt ist Kantinenseil, das andere heißt Haus Bruch Seil, weil auf dessen Seite das Ausflugslokal Haus Bruch liegt.

Der Windenfahrer spult das Seil langsam auf. „Seil stramm, fertig“, meldet der Telefonist und der Windenfahrer beschleunigt das Flugzeug. Innerhalb weniger Sekunden beschleunigt das Segelflugzeug auf etwa 100km/h und hebt ab. Innerhalb der ersten ca. 70 Höhenmeter erreicht das Segelflugzeug seinen endgültigen Steigwinkel von ca. 65 Grad. Es steigt jetzt, wie ein Drachen, steil in den Himmel. Nach kürzester Zeit erreicht das Flugzeug die sogenannte Ausklinkhöhe – bei uns meist zwischen 300m und 400m, klinkt aus und – fliegt.

Dieser Vorgang wiederholt sich jetzt mit all unseren Flugzeugen über den gesamten Tagesverlauf. Bis zu 40 Starts machen wir an einem Flugtag. Im Sommer endet der Flugtag meist irgendwann zwischen 18:00 und 19:00. Im Frühjahr und Herbst bestimmt der Zeitpunkt des Sonnenuntergangs das Ende des Flugtages.

Der Ausräumvorgang wiederholt sich jetzt in umgekehrter Reihenfolge. Die Flugzeuge werden gereinigt und dann in die Halle geschachtelt. Die Batterien kommen wieder an die Ladestation, die Fallschirme in ihren Schrank, in dem sie vor schädlicher Feuchtigkeit geschützt sind und ein- oder zwei Kameraden schreiben die Bordbücher. Anders, als bei einem Auto, muß nämlich für ein Flugzeug ein Bordbuch geführt werden, in dem alle Starts, Flugzeiten und Reparaturen vermerkt werden müssen.

Hallensalat

Langsam kehrt jetzt Ruhe ein. Im Sommer, wenn das Wetter schön ist, kommt häufig noch eine Wurst auf den Grill – und jetzt endlich dürfen wir auch ein Bier trinken. Das ist beim Fliegen absolut tabu – bei uns gelten 0,0 Promille.

Wichtige Utensilien

Segelfliegen findet im Freien statt – wenn man nicht gerade fliegt. Deine Kleidung sollte dem jeweils vorherrschenden Wetter angepasst sein. Im Frühjahr und Herbst heißt das: Kleidung nach dem Prinzip Zwiebelschale. Ein Hut  (wir nennen die Thermikhüte) gehört auf den Kopf, wenn man keinen Sonnenstich bekommen will. Nimm bitte auch Sonnencreme mit. Essen nach Geschmack und vor allem genug zu Trinken gehört ebenso in den Rucksack. Und denk dran, auf so einem Flugplatz brennt die Sonne immer etwas heißer, weht der Wind etwas heftiger und kommt der Regen etwas waagerechter, als zu hause.